Liebe Leserinnen und Leser,
Einige Reden an solchen Tagen haben leider oft den Charakter von Fensterreden und Pflichtübungen. Das muss aber nicht so sein! Und das darf auch nicht so sein! Denn schließlich wiederholt sich fast alles in der Geschichte, manchmal nur in einem anderen Gewand. Es darf sich aber nicht wiederholen was geschehen ist. Darum müssen wir wachsam sein.
Wachsam sein heißt mit wachen Sinnen beobachten, ob sich die Welt gerade anschickt, einen Fehler von früher zu wiederholen. Es ist wie mit einem Feuer, das sich zum Flächenbrand ausweiten kann, wenn wir nicht aufpassen: Man muss das Feuer in den Anfängen bekämpfen! Später ist es zu mächtig und zerstört alles, was sich ihm in den Weg stellt.
Viele von uns, und anders als bei den vorherigen Wahlen, haben mit großer Spannung die Wahl zum amerikanischen Präsidenten am 3. November 2020 beobachtet, sicherlich verbunden mit der Hoffnung, dass es einen Wechsel in einem der größten und mächtigsten Länder der Welt geben wird. Das Hoffen war nicht umsonst, es wird einen Wechsel geben, verbunden eben mit der Hoffnung auf eine bessere Entwicklung der Beziehungen mit Europa und der übrigen Welt.
Mit großer Sorge sehe ich auch die Entwicklungen in Weißrussland, ein Ende ist leider dort nicht absehbar und erkennbar. Die Menschen versuchen auch dort eine Veränderung durchzusetzen, hoffen wir auch hier dass sie es schaffen und nicht zu viele Menschen dabei verletzt und misshandelt werden.
Wenn ich die Nachrichten verfolge und sehe was um uns herum gerade passiert, dann bin ich sehr dankbar, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin, hier lebe und wohne.
Natürlich ist es für uns momentan nicht einfach, denn befinden wir uns nicht auch gerade in einem „Krieg oder besser Kampf“. Im Kampf gegen Covid-19. Wenn wir diesen Kampf nicht annehmen, werden wir auch sehr viele Opfer beklagen. An dieser Stelle gedenke ich – nein, ich bedanke mich bei den Menschen, die sich tagtäglich darum kümmern, dass den kranken und hilfebedürftigen Menschen geholfen wird. Bei den Pflegerinnen und Pflegern in den Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, bei den Ärzten, bei den Forschern die versuchen einen Impfstoff zu finden, aber auch bei den Politikern, die momentan schwierige Entscheidungen treffen müssen, zu Unser aller Schutz und Gesundheit. Aber auch bei jeden Einzelnen von uns, der dazu beiträgt, das sich der Virus nicht weiter ausbreitet und wir dadurch eine Chance haben, diesen Kampf erfolgreich zu beenden.
Wir trauern heute nicht nur um die Kriegsgefallenen, wir trauern um jedes einzelne Opfer von Krieg und Gewalt. Und weil uns jeder Einzelne am Herzen liegt, sind wir auch jeder selbst ein Stück weit verantwortlich dafür, dass Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Menschlichkeit nicht nur schöne Worte bleiben, sondern gelebte Werte sind, für die wir uns einsetzen und für die wir uns starkmachen.
Wir können die Toten nicht zurück ins Leben holen, wir können ihnen aber versprechen, mit aller Kraft zu versuchen, das Leben in Frieden und Freiheit zu schützen. Das werden wir nur gemeinsam in einem vereinigten Europa schaffen, in einem Europa des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Zuneigung und der gegenseitigen Solidarität. Auch daran wollen wir uns an diesem Volkstrauertag erinnern.
Dietrich Bonhoeffer schrieb ein sehr bekanntes Kirchenlied, 1944
VON GUTEN MÄCHTEN
Von guten Mächten treu und still umgeben, Behütet und getröstet wunderbar, So will ich diese Tage mit euch leben Und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Noch will das Alte unsre Herzen quälen, Noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen Das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken An dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, Dann wolln wir des Vergangenen gedenken Und dann gehört dir unser Leben ganz.
Von guten Mächten wunderbar geborgen, Erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
105 Jahre sind seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges vergangen und 81 Jahre seit Beginn des Zweiten Weltkrieges. Beide Kriege haben unermessliches Leid über die Menschen gebracht. Wenn wir uns heute daran erinnern, dann auch, weil wir aus unserer Vergangenheit lernen wollen. Geschichte liefert uns anscheinend keine eindeutige Anleitung, wie wir es besser machen können. Aber sie ist die Grundlage unseres historischen Bewusstseins. Wir wissen, was geschehen ist. Wir können mit diesem Wissen den Ursachen auf den Grund gehen und verstehen, warum es zu all dem Leid kam. Nur so werden wir begreifen, welche Auswirkungen das Geschehene auf unsere Gegenwart hat. Unsere Vergangenheit mit all ihren Schatten begegnet uns bis heute – in Form von Trauer.
Trauer ist ein wesentlicher Bestandteil des Erinnerns.
Sie ist in erster Linie eine äußerst persönliche Angelegenheit. Die Älteren von uns mussten Weltkriege selbst miterleben. Sie waren konfrontiert mit dem ungewissen Schicksal des Vaters, Bruders, Sohns oder Onkels. Viel zu oft mussten sie schließlich doch der traurigen Wahrheit ins Gesicht sehen und erfahren, was es heißt, einen geliebten Menschen im Krieg zu verlieren.
Jeder versucht auf seine Weise, solche traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Trauer ist ein langer und schmerzlicher Vorgang, den jeder Betroffene auf andere Weise erlebt. Dabei geht es immer auch um Lern- und Gewöhnungsprozesse, um mit dem erlittenen Leid und dem Schmerz zurechtzukommen. Letztlich kann uns dabei nur der Blick nach vorne, in die Zukunft, wieder Perspektiven bieten.
Seit inzwischen fast einhundert Jahren begehen wir den Volkstrauertag. Er wurde vom „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges vorgeschlagen. Die Idee des Volkstrauertages geht über unsere persönlichen Erfahrungen hinaus. Darum wollten wir uns heute am Ehrenmal versammeln
Die Kriegserfahrungen unseres Landes liegen mittlerweile über sieben Jahrzehnte zurück. Deutschland hat sich in dieser Zeit verändert. Es gab ermutigende Entwicklungen im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts. Die Menschen haben aus den katastrophalen Geschehnissen gelernt und Strukturen geschaffen zur gewaltlosen Lösung von Konflikten. Die Gründung der Vereinten Nationen und der Prozess der Europäischen Integration waren und sind wichtige Schritte in eine friedliche Zukunft. Vor mittlerweile über 30 Jahren, am 9. November 1989, beendeten die Menschen in der ehemaligen DDR auf friedlichem Wege die deutsche Teilung. Das wiedervereinigte Deutschland ist seither eine verlässliche Größe im Zentrum Europas und international geachtet als zuverlässiger Partner.
Nach dieser langen positiven Entwicklung können wir uns heute zu Recht die Frage nach der Bedeutung des Volkstrauertages stellen.
Aus unserem Erinnern und aus unserer Trauer ergibt sich Verantwortung. Und diese Verantwortung ist immer in die Zukunft gerichtet. Das Erinnern und das Wissen um die Vergangenheit prägt unsere eigene Haltung und wird dadurch zwangsläufig unser gegenwärtiges und zukünftiges Handeln bestimmen. Wir müssen uns immer wieder aufs Neue bewusst machen, welch hohes Gut unsere Demokratie für uns darstellt. Deshalb müssen wir unsere freiheitliche Gesellschaft gegen Angriffe verteidigen und – wo immer es nötig ist – für Toleranz und gegenseitige Achtung einstehen.
Heute können wir in Deutschland auf eine lange Zeit des Friedens zurückblicken. Wir leben in Wohlstand und Sicherheit. Die damalige Opferbereitschaft der Soldaten ist für die meisten Menschen heute weit entfernt. Aber auch wir sind darauf angewiesen, dass Mitbürgerinnen und Mitbürger bereit sind, unser Land und unsere Werte im Ernstfall zu verteidigen. Unsere Soldatinnen und Soldaten, die in der Bundeswehr ihren Dienst tun, haben diese Aufgabe für uns alle übernommen. Darum ist heute auch ein Tag des weiteren Dankes. Dank dafür, dass sie sich für unser aller Wohl engagieren, und dafür, dass sie dies – wie wir in den aktuellen Missionen immer wieder erleben müssen – unter Einsatz ihres Lebens tun.
Aus dem Gedenken des heutigen Tages ergibt sich für uns alle die Pflicht zur Verantwortung für den Erhalt des Friedens. Gerade die letzten Wochen und Monate haben uns regelmäßig daran erinnert, wie zerbrechlich der Frieden ist, in Europa und in anderen Kontinenten. Unsere Gesellschaft muss das Bewusstsein für diese Verantwortung an künftige Generationen weitertragen. Das kann nur geschehen über eine lebendige Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit. Wir müssen dafür sorgen, dass Geschichte und Erinnerung in unserer Gesellschaft und speziell in unseren Schulen immer den Stellenwert haben, der sich aus unserer schwierigen Vergangenheit ergibt. Umso wichtiger ist es aber auch, sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen.
Arbeiten wir alle daran, dass wir unseren Frieden bewahren, lassen wir nicht zu, das rechte aber auch linke teilweise radikale Ströme unsere Demokratie, unsere Freiheit, unsere Meinungsfreiheit in Frage stellen oder untergraben.
Setzen wir uns für Frieden auch in unserer Gesellschaft ein, durch Tolleranz unseren Mitmenschen gegenüber und gegenseitige Hilfe vor Ort, so wie es für sehr vielen von uns selbstverständlich ist.
Aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen wertvolle Beiträge und Anregungen für die Bewahrung und die Auseinandersetzung mit unserem historischen Erbe.
Friedrich Hölderlin hat einmal geschrieben: „Und so ist’s mein gewisser Glaube, dass am Ende alles gut ist, und alle Trauer nur der Weg zu wahrer heiliger Freude ist.
Für uns heute kann das nur bedeuten:
Trauer geht weit über Vergangenheitsbewältigung hinaus.
Aus ihr heraus erwächst ein hoffnungsfroher Blick in die Zukunft und es ergeben sich neue Perspektiven für die Gestaltung unseres Lebens.
In diesem Sinne habe ich den Kranz niedergelegt.
Lassen sie uns wie in den vergangenen Jahren bereits die Hände reichen. (diesmal nur in Gedanken möglich)
Wir müssen Frieden schaffen, indem wir miteinander sprechen, einander zuhören, Freude und Kummer teilen, uns gegenseitig helfen, Damit wollen wir anfangen! Frieden schaffen: bleibt eine immerwährende Aufgabe für uns Alle!
Besonders in der momentanen sehr schweren Zeit für uns.
Viele Grüße
Hermann Capelle, Ortsbürgermeister
Fürbitte
Lasst uns Fürbitte halten. Ewiger Gott, vor dir gedenken wir.
Wir blicken zurück, wir halten inne, wir bitten, dass du uns leitest.
Wir denken an die Menschen, die in Kriegen ums Leben gekommen sind besonders an die Deutschen und an die,die von Deutschen getötet worden sind.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die Menschen, die Opfer von Gewaltherrschaft geworden sind, besonders an die Opfer des Nationalsozialismus.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die Menschen, die ein Terroranschlag aus dem Leben gerissen hat.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die Familien der Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Terror.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die Menschen, die gegen Gewalt Widerstand geleistet haben und dabei ihr Leben gelassen haben
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die Hoffnungen auf Frieden und Gerechtigkeit, die von Armeestiefeln zertreten und von Gewehrkolben zerschlagen worden sind, Hoffnungen, die wir zu unserer Sache machen können.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die, die es schaffen, ihren Feinden die Hand zu reichen, und den Kreislauf der Gewalt durchbrechen.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die, die sich weigern, wenn ihnen befohlen wird, andere Menschen umzubringen.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die, die dem Hass entgegentreten und Brücken der Versöhnung bauen.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die, die sich für Frieden einsetzen – auch dort, wo es aussichtslos scheint.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die, die Unrecht anprangern und für Recht streiten.
Herr, erbarme dich.
Wir denken an die, die in der momentanen Zeit sich einsetzen in der Medizin, Pflege, Forschung und Politik. An die die uns helfen die schwere und lange Zeit der Pandemie zu überstehen.
Herr, erbarme dich.
Ewiger Gott, prüfe uns und erkenne, wie wir es meinen.
Und sieh, ob wir auf bösem Wege sind, und leite uns auf ewigem Wege.
Vater unser…